J.W. von Goethe – Faust – Die Gretchenfigur

Gretchen ist jung, hübsch und stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sie wird als sehr wohlerzogen, tugendhaft und schüchtern beschrieben. Ihre naive, kindliche Seite wird durch den Namen „Gretchen“ verdeutlicht. Das ist auch der Grund, warum Goethe diesen Übernamen verwendet und nicht ihren vollständigen Namen Margarete.

Obwohl sie noch so jung ist, hat sie aber durch die Pflege und den frühen Tod ihrer kleinen Schwester grundlegende menschliche Erfahrungen erworben, verfügt über Feinfühligkeit und ahnungsvolle Sensibilität. Gretchen ist streng gläubig und lebt nach den Regeln der Kirche, von der Welt selbst jedoch, weiß sie wenig. Ihr Weltbild ist geprägt vom Glauben und von dem, was sie in der Kirche lernt.

Mephistopheles hat keine Macht über Gretchen, die Unschuld verkörpert und reinen Herzens ist. Sie jedoch spürt, dass Mephistopheles eine Gefahr für sie und die Liebe zu Faust darstellt. Der Ständeunterschied und die ärmlichen Verhältnisse, in denen sie lebt, werden ihr noch deutlicher, als ihre Mutter Fausts Geschenk, eine Kette, der Kirche schenkt.

Es entwickelt sich ein innerer Konflikt zwischen dem, was sie sich wünscht und dem, was ihr als gut und richtig beigebracht worden ist. Dabei verhindern die grundverschiedenen Weltbilder und Lebensweisen von Gretchen und Faust den Aufbau einer wirklichen Beziehung, in der man einander erkennt und unterstützt, und führen schlussendlich zu einer dramatischen Entwicklung.

Durch ihre Liebe und Hingabe zu Faust verstößt Gretchen gegen die Regeln der Kirche und die Moralvorstellungen der Gesellschaft, die nicht zuletzt auch ihre eigenen sind, und lädt so Schuld auf sich. Auch ihre Mutter stirbt teilweise durch ihr Verschulden. Im Sterben liegend erkennt dies auch ihr Bruder und nennt sie die Schande der Familie.

Durch ihre Schwangerschaft und den Mord an ihrem Kind wird sie von der Gesellschaft ausgegrenzt. Sie bekennt ihre eigene Schuld am Tod ihrer Lieben, befreit sich somit vom Einfluss Mephistopheles (dem Teufel) und wird von Gott gerettet. Wie im Prolog im Himmel angekündigt, zeigt sich auch in der Gretchenfrage die Verführbarkeit des Menschen und schließlich dessen Hinwendung zum Guten.

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