Von Hans-Georg Fischer, Fischers Bücherstube Freyburg (Unstrut)
Wohl jeder Mensch bzw. Leser hat sein Lieblingsbuch. Warum soll es da bei Buchhändlern anders sein? Merkwürdig, aber es ist so: In jedem Jahr lese ich dieses Buch einmal. In meiner Lehrzeit habe ich angefangen, mich mit russischen Autoren zu beschäftigen. Puschkin, Tolstoi oder Dostojewski. Da bin ich auch zu Michail Bulgakow gekommen. „Der Meister und Margarita“. Seitdem habe ich dieses Buch mehrmals gelesen und immer wieder neu entdeckt. Man kann und sollte das Buch immer aus anderer Perspektive oder als anderes literarisches Genre lesen.
Da ist die einfache und unglückliche Liebesgeschichten zwischen dem Meister und Margarita oder die literatur- und gesellschaftskritische Sicht auf die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Moskau zu Zeiten des „herrlichen Genossen Stalin“ in der noch jungen Sowjetunion.
Es ist auch ein vergnüglicher satirischer Roman, welcher nicht zu Lebzeiten des Dichters erschienen ist oder erscheinen konnte. Man kann das Buch als geschichtliches, philosophisches oder fundamentalistisches Werk lesen. Oder sich einfach an den Späßen des Teufels und seiner Spießgesellen erfreuen. Jeder kommt voll auf seine Kosten. Mich fasziniert z.B. immer wieder die Sicht auf Pontius Pilatus, sein Verhältnis zu Jesus und andere Details dieser Geschichte.
Bulgakow schreibt in der großen Tradition der großen russischen Dichter, ähnelt in seiner Satire dem Werk Sostschenkos und ist mit seiner Sprachgewalt anderen Namen der Literaturgeschichte, wie Thomas Mann oder Stefan Zweig, aus meiner Sicht auf jeden Fall ebenbürtig.
Jetzt ist eine neue Übersetzung vom Russischen ins Deutsche erschienen. Ich denke mal, dass ich die auch lesen muss. Hans-Georg Fischer