Das Drama im Naturalismus: Familie Selicke

„Familie Selicke“ gilt als das erste naturalistische Drama überhaupt. Verfasst von Arno Holz und Johannes Schlaf beinhaltet es alle Merkmale naturalistischer Literatur, die der Theoretiker Arno Holz (Kunst=Natur-x) als kennzeichnend für diese literarische Epoche ansah.

Es verdeutlicht auf vollkommene Art die Absicht des Naturalismus: die Erschaffung eines neuen Dramas mit dem Ziel, die Wirklichkeit, den Alltag des Proletariates und des Kleinbürgers darzustellen. Die „Helden“ des naturalistischen Dramas stammen also aus der Unterschicht und werden als sogenannte passive Helden bezeichnet.

Neu am naturalistischen Drama im Allgemeinen sind Sprache und Inhalte. Die Themen sind neben sozialen Auseinandersetzungen vor allem Leid, Krankheit, Elend und der geringe Handlungsspielraum der Menschen.

Als formale Merkmale sind vor allem:

  • das stumme Spiel (wird durch lange Regieanweisungen vermittelt)
  • die Analyse der im Vordergrund stehenden Charaktere
  • die Nebensächlichkeit der Handlung
  • die Umgangssprache
  • und der Sekundenstil

zu nennen.

Die ausführlichen Regieanweisungen im Drama „Familie Selicke“ erläutern das stumme Spiel, liefern Hintergrundinformationen und vermitteln dem Leser den Eindruck, wie es in der Familie wirklich zugeht.

Dabei werden die massiven Probleme der Familie beispielhaft für die Gesellschaftsschicht deutlich:

• Alkoholmissbrauch durch den Vater
• Angst der Mutter und der 4 Kinder (im Alter zwischen 8 und 22 Jahren) vor Gewalt
• Angst vor dem Ungewissen (Wann kommt der Vater? Wie wird er sich verhalten?)
• Schlechte finanzielle Bedingungen
• Jüngste Tochter ist schwer krank
• Zukunftsängste
• Verzweiflung und Todessehnsucht

Sekundenstil

Der Sekundstil ist eine der Darstellungsmethoden, in der Literatur des Naturalismus.

Sekundenstil bedeutet, dass die erzählte Zeit und die Erzählzeit (d.h. die Zeit, die es braucht um das Geschehen zu erzählen) gleich sind. Die Vorgänge werden in ihrem Ablauf also sekundenweise dargestellt. Auch was die Sinne wahrnehmen wird aufgezeichnet. So soll die gesamte Wirklichkeit sekundengetreu abgebildet werden.

Eines der herausragenden Beispiele für die Verwendung des Sekundenstils ist das naturalistische Drama „Papa Hamlet“ von Arno Holz und Johannes Schlaf. Auch im Drama „Familie Selicke„, das als das erste naturalistische Drama gilt, in dem alle Merkmale naturalistischer Literatur deutlich sind, kommt dem Sekundenstil eine wichtige Bedeutung zu.

Naturalismus

Der Begriff Naturalismus bezeichnet eine gesamteuropäische Strömung des ausgehenden 19. Jahrhunderts (ca. 1880-1900), die sowohl in der bildenden Kunst, der Philosophie, dem Theater und der Ethik als auch in der Literatur zu finden ist. Diese Strömung entstand vor dem Hintergrund der Industrialisierung und des wissenschaftlichen Fortschrittes.

Die Theorie des Naturalismus beruht auf dem Positivismus, dem Determinismus und der Milieutheorie. Demnach ist der Mensch sowohl durch seine Gene als auch durch sein Umfeld bestimmt und eingeschränkt. Ziel des Naturalismus ist es, die Welt auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse so naturgetreu wie nur möglich zu beschreiben. Auf Verschönerungen, Ausschmückungen soll verzichtet werden. Ebenso soll in der Literatur der Dichter auf subjektive Einschätzungen und Meinungen verzichten. „Naturalismus“ weiterlesen