Menschen ohne Worte

Kommunikation ist für das alltägliche Leben existenziell. Ohne die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren, gäbe es kein Verständnis, keine Entwicklung, keine Kultur. Doch nicht nur die gesprochene Sprache ist Kommunikation, auch das geschriebene Wort hat eine enorme Bedeutung im Alltag:

Eine Arbeit finden, ein Konto eröffnen bei der Bank, Essen bestellen im Restaurant, Einkaufen, den Führerschein machen, die Dossieranleitung eines Medikamentes lesen, in einer fremden Stadt eine Straße finden – Für rund 4 Millionen Deutsche sind all diese Dinge nahezu unüberwindbare Hindernisse. Sie sind Analphabeten – häufig trotz Schulabschluß und Berufsausbildung. Thematisiert wird der Analphabetismus in Deutschland erst wieder mit dem zunehmenden Strukturwandel vor allem im Bereich der Arbeitstätigkeit und der Verbreitung neuer Kommunikationsmittel (etwa seit 1978).

Wie es dazu kommt, dass ein Mensch trotz Schulpflicht nicht lesen und/oder schreiben kann ist verschieden. Auch der Grad des Analphabetismus kann variieren. Er reicht vom Unvermögen, den Sinn längerer Texte zu erfassen, über eine leichte Lese-Rechtschreibschwäche bis hin zum vollständigen Fehlen der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben. Die Wissenschaft unterscheidet dabei vier Formen des Analphabetismus: total, primär, funktional und sekundär.

Die Folgen des Analphabetismus sind offensichtlich und bedingen einander: geringe berufliche Aussichten, unsichere Lebensumstände, wenig soziale Kontakte, gesellschaftliche Missachtung, Druck, Angst und Minderwertigkeitskomplexe – eine Spirale, die sich immer weiter dreht. Sind die Kenntnisse der Schriftsprache nicht ausreichend, führt das zumeist auch zu mangelhaften Kenntnissen in anderen Fachbereichen, da der Erwerb von Wissen stark an die Lesefähigkeit geknüpft ist.

Umso wichtiger ist der Kampf um die Schriftsprache, um jedes einzelne Wort, den viele Menschen und mit ihnen viele Organisationen in Deutschland täglich führen. Denn es gibt nur einen einzigen Ausweg aus der Schriftlosigkeit: den inneren Schweinehund überwinden und lesen und schreiben lernen, egal, wie alt der Betroffene ist oder wie schwer er sich damit tut. Organisationen, die helfen, die sachgerechte Informationen bieten und sich für mehr Akzeptanz stark machen, gibt es inzwischen einige in Deutschland.

Neben dem Bundesministerium für Bildung und dem Bundesverband Alphabetisierung e.V. haben viele Universitäten Projekte ins Leben gerufen. Die Volkshochschulen bieten Alphabetisierungskurse ebenso an wie verschiedene Nachhilfeinstitute und private Schulen. Direkte Anlaufstelle ist das ALFA-Telefon (0800 53  33 44 55) des Vereins Alphabetisierung.

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